Beinamputation: Wie geht es weiter? Leben mit Beinprothese

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Mit einer Beinamputation ändert sich Ihr Leben definitiv, aber trotzdem können Sie Ihren Alltag wie gewohnt meistern. Eine individuell angepasste Beinprothese macht es möglich. Was kommt alles auf Sie zu, wenn eine Beinamputation ansteht? Erfahren Sie es in diesem Beitrag.

Nach der Amputation eines Körperteils sind die physischen und psychischen Herausforderungen für den Patienten groß. Sowohl der Körper als auch der Geist muss lernen, mit der neuen Situation zurecht zu kommen. Wir erklären Ihnen, warum eine Rehabilitation hilft, möglichst schnell wieder zurück ins normale Leben zu finden und wie es mit einer, auf die Bedürfnisse des Patienten ausgerichteten Beinprothese gelingt, das Alltagsleben wiederkehren zu lassen.

Rehabilitation nach der Amputation: Der Weg zurück in den Alltag

Nach einer Beinamputation stehen zuerst die medizinische Versorgung und die Verbesserung des grundlegenden Gesundheitszustandes des Patienten im Vordergrund.

Bereits im Akutkrankenhaus wird in Hinblick auf die weitere Rehabilitation, aber auch auf einen guten Wundheilungsprozess, das Abklingen der Schwellungen, die Schmerzlinderung und auf einen Beginn der Mobilisierung geachtet. Dadurch soll eine baldige Versorgung mit einer ersten, vorläufigen Prothese (prothetische Frühversorgung) ermöglicht werden.

Ist der Patient aus dem Krankenhaus entlassen worden, kommt der nächste Schritt: Die Rehabilitation, die stationär oder ambulant erfolgen kann. Ziel der Rehabilitationsmaßnahmen ist es, dem Patienten eine sogenannte soziale und berufliche Wiedereingliederung zu ermöglichen, ihm also dabei zu helfen, zurück in den Alltag zu finden. Und das, wenn möglich, ohne Rollstuhl.

In der ersten Phase der Rehabilitation steht - neben der psychischen - die physiotherapeutische Behandlung im Vordergrund. Hierbei wird sich vor allem auf Körperschulung, Muskelaufbau und Bewegungstherapie konzentriert.

Außerdem findet eine intensive Stumpfbehandlung mit Stumpfpflege, die Stumpfformung mit Hilfe von elastischen Bandagen, Kompressionsstrümpfen und anderen Hilfsmitteln und die Belastungssimulation (Abhärtung) statt.

Da sich der Stumpf noch einige Zeit verändern wird (Zu- und Abnahme des Stumpfvolumens ist möglich), bekommt der Patient zuerst eine vorläufige Versorgung, die Interimsprothese.

Die Interimsprothese - leicht anzupassen

Ein wichtiger Schritt zurück in den Alltag ist eine vorläufige Prothese (Interimsprothese). Sie dient zur Überbrückung für die erste Phase nach der Amputation, in der die Gegebenheiten des Stumpfen noch sehr variieren können.

Wann die Zeit für die erste Anpassung gekommen ist, entscheidet der Arzt in Absprache mit dem Orthopädietechniker. Dieser fertigt einen Gipsabdruck des Stumpfes an, aus dem der Prothesenschaft modelliert wird. Die Interimsprothese ist eine modulare Konstruktion mit einem Schaft, der ohne großen Aufwand an den sich noch verändernden Stumpf angepasst werden kann.

In Abhängigkeit vom Abklingen der Schwellungen, dem Verlauf der Wundheilung, der Amputationshöhe und der allgemeine Verfassung des Patienten können nach etwa 4 bis 6 Wochen die ersten Steh- und Gehversuche unternommen werden.

Mit Hilfe der Interimsprothese werden außerdem bereits unterschiedliche Bauteile wie zum Beispiel Kniegelenk oder Fuß getestet, um für die sich anschließende Definitivprothese - die endgültige Prothese - die bestmögliche Kombination zu wählen können.

Die richtige Prothese finden

Nach ungefähr 3 bis 6 Monaten ist die Interimsversorgung in den meisten Fällen beendet und der Stumpf hat seine bleibende Form entwickelt. Jetzt kann der nächste Schritt getan werden: Die Herstellung und Anpassung einer auf den Patienten zugeschnittenen, endgültigen Prothese (Definitivprothese).

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Wichtig ist, dass sich der Träger mit seiner Prothese wohl fühlt und sie seinen Ansprüchen entspricht. Durch die große Auswahl an verschiedenen Prothesenpassteilen, Schaftformen und Verarbeitungstechniken ist heutzutage eine optimale und individuelle Versorgung möglich.

Modernste Technik sorgt dafür, dass der Amputierte mit nur wenigen Einschränkungen und vor allem ohne Rollstuhl leben kann. Um bei der Prothese die richtige Wahl zu treffen, ist die Beratung durch den Experten im Sanitätshaus unerlässlich.

Neben den persönlichen Bedürfnissen erfolgt die Wahl der passenden Prothese vor allem aufgrund der Zuordnung des Patienten (durch das Behandlungsteam) in eine Mobilitätsklasse.

Was ist ein Mobilitätsgrad?

Der Mobilitätsgrad bzw. die Mobilitätsklasse richtet sich unter anderem nach

  • der körperlichen Konstitution
  • dem Alter
  • dem Körpergewicht
  • der Amputationshöhe
  • dem Freizeitverhalten
  • dem Lebensumfeld

So kann sich der Orthopädietechniker beim Bau der Prothese sowohl am Passteil als auch an den Bedürfnissen des Patienten orientieren. Dabei wird in 4 Mobilitätsgrade bzw. -klassen unterteilt:

  • Mobilitätsgrad 1: Innenbereichsgeher (es können ebene Gehstrecken mit einer stark eingeschränkten Gehdauer bewältigt werden)
  • Mobilitätsgrad 2: Eingeschränkter Außenbereichsgeher (begrenzte Gehstrecken bei geringer Gehgeschwindigkeit sind möglich, niedrige Hindernisse wie Bordsteine, Stufen und unebene Böden etc. können überwunden werden)
  • Mobilitätsgrad 3: Uneingeschränkter Außenbereichsgeher (Bewegung ohne Einschränkung auf freiem Gelände bei mittleren bis hohen und variierenden Gehgeschwindigkeiten, die meisten Umwelthindernisse können bewältigt werden)
  • Mobilitätsgrad 4: Außenbereichsgeher mit besonders hohen Anforderungen (Möglichkeit, sich uneingeschränkt zu bewegen - auch bei besonderer Belastung wie sportlichen Aktivitäten)

Welche Arten von Beinprothesen gibt es?

Für Ober- und Unterschenkelamputationen, Knieexartikulationen (Amputation des Kniegelenkes) oder Fußamputationen müssen jeweils individuelle Prothesen angefertigt werden. Eine Möglichkeit der Unterteilung bezieht sich auf den Einsatzzweck bzw. den Anwendungsbereich der Prothese.

So gibt es zum Beispiel die:

  • Alltagsprothese für das Tragen im häuslichen Umfeld, bei Freizeitaktivitäten und am Arbeitsplatz
  • Ersatzprothese als Ersatz für die Alltagsprothese (wird von den gesetzl. Krankenkassen nicht übernommen!)
  • Badeprothese, da jedem an den unteren Extremitäten Amputierten eine wasserfeste Gehhilfe bzw. Prothese zusteht
  • Sportprothese, auf einzelne Sportarten ausgerichtete Prothesen

Um dem Mobilitätsgrad, den Ansprüchen des Patienten und den verschiedenen Anwendungsbereichen gerecht zu werden, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Passteile und Komponenten für eine Beinprothese.

Für eine passende Prothese müssen das jeweils richtige Gelenk und die korrekte Kombination aus Fuß und anderen Bauteilen einer Prothese (Liner, Schaft) passend zusammengestellt werden.

Dabei unterscheidet man bei der prothetischen Versorgung grundsätzlich in:

  • mechanische Gelenke - Knie und Fuß
  • bionische Gelenke - Knie und Fuß mit künstlicher Intelligenz
  • Sportversorgungen

Die Fußprothese

Der Fuß ist Bestandteil jeder Beinprothese und bildet somit die Basis. Er hat einen großen Einfluss auf das sichere Stehen und das flüssige Gehen.

Zum technischen Standard zählen Carbonfederfüße. Sie geben die aus dem Auftritt gespeicherte Energie zurück und ermöglichen ein dynamisches Abrollen des Fußes bei einer hohen Energieeffizienz.

Außerdem gibt es Elastomerfüße, die durch ihre hervorragenden Dämpfungseigenschaften sehr bequem sind. Oft werden Carbonfederfüße mit konstruktivem integriertem und austauschbarem Einsteck-Elastomer verwendet.

Außerdem gibt es mittlerweile auch durch Mikroprozessoren bionisch gesteuerte Prothesenfüße, also Füße mit einer künstlichen Intelligenz. Hier erkennt die Elektronik des Fußes die einzelnen Schrittphasen und reagiert darauf selbstständig mit einer Bewegung.

Die Unterschenkelprothese

Wird das Bein unterhalb des Knies amputiert, spricht man von einer Unterschenkelamputation. In diesem Fall bleibt die Funktion des Kniegelenks vollständig erhalten und der Patient benötigt eine Prothesenversorgung, die eine Verbindung zum Fußgelenk schafft und seine Funktionen ersetzt.

Die Oberschenkelprothese

Die optimale prothetische Versorgung nach einer Oberschenkelamputation zu schaffen, ist nicht leicht. Oberschenkelprothesen sorgen für eine Lastumverteilung, damit der Stumpf nicht überlastet wird. In den meisten Fällen wird die Prothese mit einem Schaftsystem versehen, das aus einem flexiblen Innenschaft und einem harten Außenschaft besteht.

Die Knieprothese

Ein Prothesenkniegelenk wird nach einer Oberschenkel- oder Knieamputation bzw. einer Knieexartikulation benötigt. Es sichert in der Standphase gegen das Einknicken des Kniegelenks und steuert die Schwungphase beim Gehen, damit der Unterschenkel der Prothese so natürlich wie möglich bewegt werden kann.

Knieprothesen gibt es in unterschiedlichen Ausführungen, angefangen von Modellen für unsichere Prothesenträger bis zu Prothesen für sehr aktive Anwender:

  • Einachsige (monozentrische) Prothesengelenke
  • Mehrachsige (polyzentrische) Kniegelenke
  • Hydraulische Kniegelenke
  • Mechanische Prothesengelenke
  • Mikroprozessorgesteuerte (binomische) Kniegelenke

Mit der richtigen Therapie zurück ins Leben laufen

Nach der Amputation des Beines, ob teilweise oder komplett, muss das Gehen und Stehen wieder neu gelernt werden. Dabei spielt die Physiotherapie auch nach der ersten Reha-Phase, in der die Rumpf-, Bein- und Armmuskulatur gestärkt werden, eine wesentliche Rolle.

Sobald die Definitivprothese verwendet werden kann, findet in der Rehabilitation eine intensive Gang- und Trägerschulung mit der Prothese statt. Dabei wird die eigene Gehstrecke und Tragedauer der Prothese stetig verlängert.

Schließlich werden Alltagsbewegungen wie das An- und Ausziehen, Gehen auf Treppen, Steigungen und Abhängen etc. simuliert und trainiert.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Rehabilitation ist die psychologische Begleitung und der Austausch sowohl in Einzel- als auch in Gruppengesprächen mit weiteren Betroffenen.

Phantomschmerzen nach Beinamputation

Viele Patienten fürchten sich vor den sogenannten Phantomschmerzen, bei denen die Betroffenen einen Schmerz, ein Jucken, Kälte- und Wärmeschübe oder Muskelverkrampfungen an der Stelle des abgetrennten Körperteils spüren.

Bei Phantomschmerzen handelt es sich um neuronale Prozesse, die im Gehirn entstehen. Die Symptome müssen allerdings nicht bei jedem Amputierten zwangsläufig auftreten.

Gelindert werden können die Beschwerden teilweise sowohl medikamentös als auch mit verschiedenen anderen Therapien, die von warmen Fußbädern über Meditation und Neuromodulation bis hin zur Spiegeltherapie reichen.

Werden die Kosten für eine Prothese übernommen?

Laut eines Urteils des Bundessozialgerichts hat jeder Mensch das Recht auf den Ausgleich seiner Behinderung. In Bezug auf eine Prothese muss diese dem Patienten funktionelle Vorteile bieten, die er auch nutzen kann.

In der Regel werden bei Vorlage einer Verordnung sämtliche Kosten der Beinprothese (bis auf eine gesetzl. Zuzahlung bis max. 10 Euro) vom Kostenträger übernommen. Die Verordnung der Prothese erstellt der behandelnde Arzt, wobei er auf dem Rezept bereits genau angeben sollte, welche Prothese und Passteile der Patient warum bekommen sollte.

Die praktische Versorgung übernimmt der Orthopädietechniker in einem Sanitätshaus. Mit Hilfe der Verordnung des Arztes und eines Profilerhebungsbogens erstellt er einen Kostenvoranschlag für die Prothese, der von der Krankenkasse genehmigt werden muss.

Möchte ein Patient Passteile aus einer höheren Mobilitätsklasse, muss er diese in der Regel selbst finanzieren.

Fazit zur Versorgung mit einer Beinprothese

Nach einer Beinamputation kann die individuell auf den Patienten zugeschnittene Beinprothese dem Leben ein großes Stück Normalität zurück bringen. Doch bevor der Alltag wieder einkehren kann, führt der Weg in die Rehabilitation.

Nachdem der Stumpf ausreichend versorgt und abgeheilt ist, lernt der Patient den Umgang mit einer Prothese und bekommt schließlich eine vom Orthopädietechniker individuell auf seine Bedürfnisse angepasste Beinprothese. Dank modernster Technik hat der Amputierte so in seinem Leben kaum noch Einschränkungen.

Informationen zu den verschiedenen Prothesenarten und die Beratung, wie Sie mit Ihrer Prothese wieder besser durchs Leben gehen, erhalten Sie in Ihrem Sanitätshaus.

Können Sie von Ihren Erfahrungen mit Beinprothesen berichten? Was war für Sie die Herausforderung nach der Beinamputation? Hinterlassen Sie gern einen Kommentar.

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