Phantomschmerz nach Amputation: Welche Therapie wirkt?

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Der Verlust eines Körperteils aufgrund einer Verletzung oder einer Amputation ist für den Betroffenen ein tiefgreifendes Erlebnis. Oft kommen im Anschluss Phantomschmerzen hinzu - für den Patienten noch weitere Strapazen. Wie entstehen überhaupt Phantomschmerzen und warum hilft unter anderem eine Prothese?

Tatsächlich leiden bis zu 60-80% der amputierten Betroffenen unter Schmerzen an nicht mehr vorhandenen Extremitäten. Dank der Wissenschaft und Forschung gibt es heutzutage viele Möglichkeiten, den Phantomschmerz zu behandeln.

Was sind Phantomschmerzen?

Phantomschmerzen sind schmerzhafte Empfindungen in Körperteilen die, meist aufgrund einer Amputation oder Verletzung, beim Betroffenen nicht mehr vorhanden sind. Es schmerzt also etwas, das gar nicht (mehr) da ist ein Phantom.

Dass die Betroffenen nach einer Amputation erst mal weiterhin ihr nicht mehr vorhandenes Körperteil spüren können, ist tatsächlich relativ normal und tritt bei mehr als 80% der Patienten auf.

Sie nehmen die Länge, den Umfang oder auch eine bestimmte Haltung der amputierten Extremität wahr. Gelegentlich kommt es auch zu Gefühlen wie:

  • Kribbeln
  • Berührungsempfindungen
  • Zucken
  • Kälte- und Wärmeschübe

Die übergroße Mehrheit fühlt allerdings auch richtige Schmerzen, wobei Betroffene einer Amputation der oberen Extremitäten wie Hand oder Arm wesentlich öfter von Phantomschmerzen berichten, als Patienten nach einer Ober- oder Unterschenkelamputation. Die Schmerzen können sich einschießend, brennend, stichartig und krampfartig äußern.

Außerdem sind neben starken Schmerzen auch zu Schlafstörungen und Depressionen möglich. Meistens kommt der Phantomschmerz nach einer Arm- oder Beinamputation, er kann aber auch nach einer Brustamputation oder sogar einer Zahnentfernung auftreten.

Wie häufig tritt der Phantomschmerz auf?

Wann, wie oft und wie stark der Phantomschmerz auftritt, ist ganz verschieden. Die Beschwerden können phasenweise kommen und in ihrer Intensität und Ausprägung variieren. Bei einigen Betroffenen reduziert sich der Schmerz nach und nach wieder, bei anderen ist er dauerhaft vorhanden.

Typischerweise treten die Probleme bereits innerhalb der ersten Tage nach Verlust des Körperteils auf.

Realität oder Halluzination? Wie kommt es zum Phantomschmerz?

In der Wissenschaft ist man sich mittlerweile weitestgehend einig, dass der Phantomschmerz nach einer Amputation vor allem durch Veränderungen im Nervensystem unseres Gehirns verursacht wird.

In dem Teil der Gehirnrinde, der für das Fühlen verantwortlich ist (sensomotorischer Cortex) gibt es spezielle Areale, die jeden einzelnen Körperteil repräsentieren und kontrollieren. Wie auf einer Landkarte ist dort jedes Teil des Körpers abgebildet bzw. wird dort repräsentiert (sensorische Karten).

Diese Repräsentationen nehmen die Empfindungen aus dem jeweiligen Körperteil auf, leiten sie weiter und verarbeiten sie zu Wahrnehmungen. Auch ein amputiertes Bein o.ä. bleibt dort weiterhin vertreten. Allerdings erhält das Gehirn für den fehlenden Körperteil keine Signale mehr und stellt bzw. organisiert sich um (kortikale Plastizität).

Das verwaiste Hirnareal wird vom benachbarten Zentrum besetzt - das so praktisch seine Landesgrenzen erweitert - und erhält fortan Impulse der Nachbarregion. Das Resultat: Die Empfindungen aus dem Nachbarareal werden auf den fehlenden Körperteil projiziert (Remapping). Diese Fehlverarbeitung der Signale bzw. die fehlerhafte Anpassung im Cortex führt schließlich zu den chronischen Schmerzen bzw. dem Phantomschmerz - je größer die Umorganisation, desto größer der Phantomschmerz.

Auch das Rückenmark wird teilweise als Ursache für Phantomschmerz verantwortlich gemacht. Zum einen wird durch die Nervendurchtrennung bei der Amputation das im Rückenmark ankommende neuronale Erregungsmuster verändert. Das heißt, dass normalerweise nicht schmerzhafte Reize nun als Schmerz interpretiert werden.

Zum anderen werden auch die für die Schmerzwahrnehmung verantwortlichen Neurotransmitter in veränderter Weise exprimiert. Die Folge ist eine Übererregbarkeit für Schmerzsignale im Rückenmark. Sie ist dafür verantwortlich, dass vorher nicht schmerzhafte Reize jetzt Schmerz auslösen können.

Besonders ausgeprägt können die Phantomschmerzen werden, wenn im betroffenen Körperteil bereits vor der Amputation Schmerzen auftraten und eine Art Schmerzgedächtnis hinterlassen haben.

Tritt nach einer beschwerdefreien Zeit erneut ein Phantomschmerz auf, sollten auch andere mögliche Ursachen, wie zum Beispiel ein Bandscheibenvorfall, abgeklärt werden.

Wie werden Phantomschmerzen behandelt?

Lange Zeit konnten Patienten die Phantomschmerzen nur mithilfe von Medikamenten behandeln. Heute gibt es außerdem eine Reihe weiterer Methoden, die helfen können, die teils chronischen Schmerzen einzudämmen oder sogar ganz in den Griff zu bekommen.

Dazu gehören physikalische Therapien, Reizstromtherapien, Entspannungsverfahren und verhaltenstherapeutische Maßnahmen. Welche Therapie bei wem hilft, lässt sich allerdings nur schwer vorhersagen. Generell wichtig ist, dass die Schmerzbehandlung konsequent geplant wird und frühzeitig, am besten unmittelbar nach der Amputation, beginnt.

Die Schmerztherapie mit Medikamenten

Zur Phantomschmerz-Therapie werden ähnliche Medikamente wie bei anderen neuropathischen Schmerzen (Nervenschmerzen) eingesetzt, die die Funktion des zentralen Nervensystems beeinflussen. Dazu gehören u.a.:

  • Antikonvulsiva (z.B. bei elektrisierenden, stechenden und einschießenden Schmerzen)
  • Antidepressiva (z.B. bei dumpfen Dauerschmerzen, brennenden Schmerzen, Schlafstörungen, Stimmungsproblemen)
  • Opiode (allgem. bei Phantomschmerzen, sie werden der Schmerzintensität individuell angepasst)

Der Erfolg einer medikamentösen Therapie ist allerdings begrenzt. Außerdem sollte sich der Patient vor der Einnahme ausführlich von seinem Arzt beraten und aufklären lassen, da bei Schmerzmitteln deutliche Nebenwirkungen auftreten können.

Die (myoelektrische) Prothese

Der Phantomschmerz kann nach einer Amputation oder Verletzung auch durch eine gut passende Prothese reduziert werden.

Aus diesem Grund wird in der Rehabilitation so schnell wie möglich versucht, den Patienten an die Verwendung einer Prothese zu gewöhnen. Je schneller die Prothese als mit dem Körper verschmolzen wahrgenommen werden kann, desto seltener tritt Phantomschmerz auf.

Grund dafür ist unter anderem die Rückmeldung der Hautnerven zum Gehirn. Die Hirnregion, die aufgrund des Verlustes des Körperteils verändert wurde, wird so wieder aktiviert und die Funktion der verlorenen Gliedmaße zum Teil wiederhergestellt.

Der negative Umbauprozess (Remapping) wird wieder rückgängig gemacht. Bei einem Verlust der oberen Gliedmaße sind vor allem myoelektrische Prothesen vom Vorteil. Diese kann der Prothesenträger direkt über neuronale Signale ansteuern und dadurch zielgerichtete Bewegungen ausführen.

Informationen und Beratung zu geeigneten Prothesen erhalten Sie von Ihrem Orthopädietechniker.

Die Spiegeltherapie

Die Spiegeltherapie, auch Spiegeltraining genannt, ist eine Imaginationstherapie, mit deren Hilfe der Patient vor allem schmerzhafte Positionen und Verkrampfungen im amputierten Körperteil lösen kann.

Dafür wird der Patient so vor einen Spiegel platziert, dass er im Spiegelbild die noch vorhandene Extremität sieht. Bewegt er die Gliedmaße, wird dies durch die Reflexion für das Gehirn als Bewegung des amputierten Körperteils wahrgenommen und es ordnet die Reize diesem zu. Das verwaiste Gehirnareal wird aktiviert, die Repräsentanz in der Gehirnrinde normalisiert sich und der Phantomschmerz kann sich verringern.

Umbrellan Hilfsmittel: Kompressionsstrümpfe

Elektromagnetische Strahlungen, verursacht durch Handys, Radiogeräte oder das natürliche Magnetfeld der Erde, können Phantomschmerzen verschlimmern, da die bei der Amputation abgetrennten Nervenenden durch die elektromagnetischen Einflüsse gereizt werden.

Um die Intensität und Häufigkeit zu reduzieren, können Hilfsmittel wie Stumpfstrümpfe, Kompressionsstrümpfe oder Silikonliner mit einer speziellen Umbrellan-Technik getragen werden. Das Umbrellan-Hilfsmittel schirmt den Amputationsstumpf von den elektromagnetischen Strahlen ab und kann so den Phantomschmerz verringern. Mehr zu Umbrellan-Produkten erhalten Sie in Ihrem Sanitätshaus.

Reizstrom und Neuromodulation

Für die elektromedizinische Reizstromtherapie werden sogenannte Tens-Geräte zur transkutanen elektrischen Nervenstimulation verwendet. Über Elektroden werden elektrische Impulse auf die Hautoberfläche übertragen und durch die stetige Stimulation der irritierten Nerven kann der Phantomschmerz verringert bzw. verhindert werden. Auch hierzu berät Sie Ihr Sanitätsfachhandel.

Ähnlich wie die Anwendung der Tens-Geräte funktioniert auch die Neuromodulation. Hierbei werden die Elektroden neurochirurgisch als dauerhafte Lösung implantiert.

Fazit zu den Phantomschmerzen

Nach dem Verlust eines Körperteils - sei es durch eine Amputation oder eine Verletzung - können Empfindungen und Schmerzen dort auftreten, wo eigentlich nichts mehr ist: sogenannte Phantomschmerzen. Grund dafür sind unter anderem Veränderungen im Nervensystem des Gehirns.

Um den in unterschiedlicher Form, Dauer und Intensität auftretenden Phantomschmerz zu therapieren, gibt es verschiedene Ansätze. Neben einer klassischen medikamentösen Behandlung kommen auch Reizstrom, eine Spiegeltherapie oder Umbrellan-Hilfsmittel zum Einsatz. Besonders wichtig ist zudem die frühzeitige Gewöhnung an eine Prothese.Informationen zu möglichen Therapien und Hilfsmitteln erhalten Sie in Ihrem Sanitätshaus.

Wir sind für Sie da - gerne beraten wir Sie zu Prothesen. Einfach einen Kommentar hinterlassen!

 

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