Was Pflegegrade bedeuten und wie die Einstufung funktioniert

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Zunehmend mehr Menschen sind auf Pflege angewiesen. Die Kosten hierfür werden teilweise von der Pflegeversicherung übernommen. Welche Leistungen in Anspruch genommen werden können, ist abhängig vom individuellen Pflegegrad. Doch wie wird der festgelegt?

Rund 4,6 Millionen Menschen nehmen jeden Monat Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch (Quelle: Gesundheitsministerium). Etwa 80 Prozent werden daheim versorgt (durch Angehörige oder ambulante Pflegedienste), etwa 20 Prozent werden in Pflegeheimen vollstationär betreut.

Definition der Pflegebedürftigkeit

Um Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen zu können, muss zunächst einmal die Pflegebedürftigkeit festgestellt werden. Die ist

 im § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) XI wie folgt definiert:

„Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen.“

Die Beeinträchtigungen, so verlangt das Gesetz, sollten bestimmte „pflegefachlich begründete Kriterien“ gemäß § 14 Abs. 2 erfüllen. Zudem müsse

die Pflegebedürftigkeit auf Dauer bestehen, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, sowie eine bestimmte „Schwere“ (§ 15) aufweisen.

Wie stelle ich einen Antrag auf Pflegebedürftigkeit?

Ein Antrag auf Pflegebedürftigkeit wird bei der Pflegekasse (= Krankenkasse) gestellt; dies kann auch telefonisch erfolgen. Mit einer entsprechenden Vollmacht können auch Familienangehörige, Nachbarinnen und Nachbarn oder gute Bekannte den Antrag stellen.

Wie geht es nach dem Antrag weiter?

Die Pflegekasse beauftragt den Medizinischen Dienst oder andere unabhängige Gutachterinnen oder Gutachter, festzustellen, ob und in welchem Umgang eine Pflegebedürftigkeit besteht.

Die Prüfer untersuchen (vor Ort in der Wohnung oder Pflegeeinrichtung), inwieweit Betroffene ihren Alltag selbstständig bewältigen können. Das Ergebnis wird in einem Punktesystem festgehalten. Das bedeutet: Je mehr Punkte, desto höher der Pflegegrad (hieß bis 2017 Pflegestufe).

Spätestens 25 Arbeitstage nach Eingang des Antrags muss die Pflegekasse in einem schriftlichen Bescheid das Ergebnis der Begutachtung mitgeteilt haben. In bestimmten Fällen verkürzt sich diese Frist auf bis zu einer Woche.

Wie werden Pflegebedürftigkeit und Pflegegrad ermittelt?

Der Gutachter nutzt für seine Untersuchung einen umfangreichen Fragenkatalog sowie möglichst auch ein Gespräch mit Angehörigen oder Betreuer*innen. Maßgeblich ist, inwieweit jemand tägliche Anforderungen selbstständig bewältigen kann und welche Fähigkeiten die Person noch hat.

Bei der Begutachtung werden sechs Lebensbereiche betrachtet und dabei jeweils erkennbare körperliche, geistige und psychische Einschränkungen erfasst. Diese sechs Lebensbereiche (Module) fließen mit unterschiedlicher Gewichtung in die Gesamtbewertung ein.

Aus dem ermittelten Punktwert aller Fähigkeiten und Beeinträchtigungen ergibt sich die Zuordnung zu einem der fünf Pflegegrade von 1 (= geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit) bis 5 (= schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen der pflegerischen Versorgung).

Die Einstufung als Pflegefall ist abhängig davon, wie selbstständig die pflegebedürftige Person ihren Alltag bewältigen kann und welche Fähigkeiten sie noch hat. – Foto: Sabine van Erp

Die Einstufung als Pflegefall ist abhängig davon, wie selbstständig die pflegebedürftige Person ihren Alltag bewältigen kann und welche Fähigkeiten sie noch hat. – Foto: Sabine van Erp

Welche Lebensbereiche und Fähigkeiten werden geprüft?

Bei der Begutachtung werden sechs Module (Lebensbereiche) untersucht, die mit den angegebenen Prozentwerten in die Pflegegrad-Einstufung einfließen (von den beiden Modulen 2 und 3 wird nur das Modul mit der höheren Punktzahl gewertet).

1. Mobilität = Beweglichkeit (10 %): Wie selbstständig kann die betroffene Person sich fortbewegen und ihre Körperhaltung ändern?(z.B. sich ohne Unterstützung im Liegen drehen, Treppensteigen, im Wohnbereich fortbewegen)

2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten = verstehen und reden (15 %): Wie findet sich der Mensch in seinem Alltag örtlich und zeitlich zurecht? Kann er für sich selbst Entscheidungen treffen? Ist er geistig in der Lage, zielgerichtete Handlungen durchzuführen (z.B. selbst anziehen, in der richtigen Reihenfolge und mit dem Wetter angemessener Kleidung)? Kann er Gespräche führen und Bedürfnisse mitteilen?

3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (15 %): Wie häufig benötigt der Mensch Hilfe aufgrund von psychischen Problemen, wie etwa zielloses Herumlaufen, aggressives oder ängstliches Verhalten, nächtliche Unruhe oder Wahnvorstellungen?

4. Selbstversorgung (40 %): Wie selbstständig kann sich der Mensch im Alltag selbst versorgen, etwa waschen, duschen, anziehen, essen, trinken und Toilettengang?

5. Umgang mit krankheits-/therapiebedingten Anforderungen und Belastungen (20 %): Wie selbstständig werden ärztlich verordnete Maßnahmen umgesetzt, wie häufig ist welche Unterstützung erforderlich? (z.B. Medikamentengabe, Verbandswechsel, Dialyse, Beatmung)?

6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte (15 %): Wie selbstständig kann der Mensch noch den Tagesablauf planen und gestalten (auch ruhen und schlafen), Kontakte pflegen, mit anderen Menschen interagieren (z.B. telefonieren, das Haus verlassen)?

Aus der Gesamtbewertung aller Fähigkeiten und Beeinträchtigungen ergibt sich die Zuordnung zu einem der fünf Pflegegrade.

Auch wer Angehörige zu Hause pflegt, kann Unterstützung durch die Pflegekasse bekommen. – Foto: djd-Ontex-Healthcare-Deutschland/shutterstock

Auch wer Angehörige zu Hause pflegt, kann Unterstützung durch die Pflegekasse bekommen. – Foto: djd-Ontex-Healthcare-Deutschland/shutterstock

Wie viel Geld gibt es für welche Leistungen?

Je nach Pflegegrad erhalten Versicherte von ihrer Pflegekasse bestimmte Geld- und Sachleistungen. Alle Leistungen sind zweckgebunden an die Pflege und decken die Grundkosten wie Wohnen und Essen nicht ab. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick (monatliche Leistungen in Euro):

                                  Pflegegrad
Leistung  
12345  
Geldleistung für Angehörige, ambulant0316545728901
Sachleistung für Pflegedienst, ambulant06891.2981.6121.995
Kostenbeitrag für Betreuung und Entlastung, ambulant125125125125125
Leistungsbeitrag für Pflege, stationär07701.2621.7752.005
Pauschale für Pflegehilfsmittel zum Verbrauchbis 40bis 40bis 40bis 40bis 40

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Autor: Christoph Beck, SALITARIS

Quellen und Links:

Bundesgesundheitsministerium, Online-Ratgeber Pflege

Verbraucherzentrale, Wissen Gesundheit und Pflege

Insenio GmbH, Pflege-Ratgeber

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