Widerspruch bei der Pflegestufe - so geht's (plus Tipps, um ihn zu vermeiden)

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Ganz gleich ob das eigene Kind, die Eltern, Großeltern oder der Partner immer intensivere, liebevolle Pflege braucht - wenn Sie dabei Unterstützung benötigen, können Sie einen Antrag auf eine Pflegestufe stellen. Was ist aber zu tun, wenn die Pflegekasse die Einstufung ablehnt? Wir erklären Ihnen, wie Sie Widerspruch einlegen und was hilfreich ist, um überhaupt eine Pflegestufe zu bekommen.

Die Voraussetzungen zur Pflegestufe

Um die Leistungen der Pflegeversicherung - Pflegegeld, Pflegesachleistung oder Kombinationsleistung - in Anspruch nehmen zu können, muss für den Antragsteller eine Pflegebedürftigkeit festgestellt werden. Laut Bundesgesundheitsministerium liegt diese vor bei... Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Erst eine festgestellte Pflegebedürftigkeit rechtfertigt eine Pflegestufe und damit zum Bezug von Leistungen.

Doch was versteht man unter diesem Mehr an Hilfe? Für die Pflegestufe spielt aktuell vor allem der Zeitaufwand die entscheidende Rolle: Also wie lange dauert es, bis der Pflegebedürftige zum Beispiel angekleidet ist oder bei der Körperpflege unterstützt werden muss? Kann er oder sie das eigentlich noch allein?

Auf die Stufen bezogen bedeutet das:

  • Stufe 1 - Gesamtpflegebedarf pro Tag: 90 Minuten
  • Stufe 2 - Gesamtpflegebedarf pro Tag: 180 Minuten
  • Stufe 3 - Gesamtpflegebedarf pro Tag: 300 Minuten

Ab 2017 wird sich das jedoch mit der Umstellung von Pflegestufe auf Pflegegrade ändern. Was ab diesem Zeitpunkt wichtig ist, können Sie nochmals übersichtlich in unserem Beitrag dazu nachlesen.

Sinnvoll ist der Antrag auf eine Pflegestufe, wenn der Alltag vom Patienten nicht mehr oder nicht mehr allein bewältigt werden kann.

Unter Hilfen, die eine Pflegebedürftigkeit rechtfertigen können, versteht man unter anderem

  • die Aufnahme der Nahrung,
  • die Körperpflege,
  • das selbstständige Ankleiden,
  • das Führen des Haushalts

Der Antrag für eine Pflegestufe

Eine Pflegestufe wird formlos bei der zuständigen Pflegekasse beantragt. Benötigen Sie dabei Unterstützung, helfen Ihnen diese Tipps; zusätzlich steht Ihnen der Weg zum Pflegeberater offen.

Im Anschreiben sollte die Versichertennummer des Antragstellers vermerkt sein, sowie der Satz: "Hiermit beantrage ich Leistungen aus der Pflegeversicherung." Hilfreich ist, darauf hinzuweisen, dass bereits Hilfe bei der Pflege benötigt wird. Sie können gern Ihren Angehörigen bei der Antragstellung begleiten, aber wichtig ist: Der Antrag muss vom Pflegebedürftigen selbst gestellt und unterschrieben werden.

Es folgt eine Begutachtung des Patienten und seiner häuslichen Umgebung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK). Und das ist DER ausschlaggebende Termin zur Bestimmung der Pflegestufe.

Es gilt, dabei unbedingt einige Fehler zu vermeiden, damit dem Antrag stattgegeben wird und ein Widerspruch erst gar nicht notwendig ist.

5 hilfreiche Tipps, um eine Pflegestufe zu erreichen

1. Pflegetagebuch anlegen

Führen Sie als pflegender Angehöriger mindestens 2 Wochen exakt Tagebuch darüber, was der Pflegebedürftige noch leistet und wobei Sie ihn unterstützen müssen. Denken Sie dabei an ALLE Hilfen, die Sie rund um die Uhr übernehmen, zum Beispiel:

  • Unterstützung und/oder Beaufsichtigung bei den Mahlzeiten
  • den Toilettengängen
  • dem Duschen/Baden
  • dem Kämmen
  • dem Kochen und Spülen
  • bei Fahrten zum Arzt
  • bei der Medikamentengabe
  • beim Treppensteigen
  • beim Umlagern im Bett
  • beim Verbandswechsel
  • bei Inkontinenz u.v.m.

Hier finden Sie ein Pflegetagebuch als Vorlage. Die Aufzeichnungen dienen als Nachweis für erbrachte Leistungen über einen längeren Zeitraum hinweg. Achten Sie dabei immer auf die korrekten Zeitangaben. Ohne solch ein Pflegetagebuch wird es schwer, den tatsächlichen Pflegebedarf nachzuweisen.

2. Alle Dokumente bereithalten

Arztberichte, medizinische Gutachten, Entlassungsberichte des Krankenhauses, besondere Ausweise (Schwerbehindertenausweis, Herzpass, Diabetikerausweis), Röntgenbilder, MRT-Ergebnisse usw. - es gibt vieles, was den MDK interessiert und in die Entscheidung zur Pflegestufe einfließt. Wenn Sie zum Termin der Begutachtung alles korrekt vorlegen, beschleunigt das das Einstufungsverfahren und macht zudem einen guten Eindruck. Vergessen Sie dabei nicht, die Dokumente zu kopieren, um dem Gutachter alles mitgeben zu können.

3. Den Pflegebedürftigen informieren

Der häufigste Grund zur Ablehnung der Pflegestufe ist das Auftreten der Pflegebedürftigen selbst. Viele Menschen scheuen sich, um Hilfe zu bitten oder möchten sich natürlich von ihrer besten Seite zeigen, wenn der Gutachter ins Haus kommt. Das ist verständlich, aber nicht zielführend. Denn plötzlich erklärt der gehbehinderte Patient, noch Treppensteigen zu können oder die überwiegend bettlägerige Pflegebedürftige berichtet, weiter selbst den Haushalt zu führen. Hier ist Einfühlungsvermögen gefragt, um zum einen die Wünsche der Bedürftigen nach Selbstbestimmung im Blick zu haben, aber auch die nötige Hilfe durchzusetzen. Besprechen Sie deshalb unbedingt mit dem Antragsteller im Vorfeld, was für ihn wichtig ist und was man darum dem MDK mitteilen muss.

4. Pflegedienst hinzuziehen

Arbeiten Sie bereits mit einem Pflegedienst zusammen, sollte der Sie betreuende Mitarbeiter beim Einzelfalltermin mit dabei sein, um Ihre Angaben zu bestätigen und auch ein fachliches Urteil abzugeben.

5. Pflegeberater fragen

Die an den Pflegestützpunkten angesiedelten Pflegeberater helfen Ihnen ebenfalls mit Tipps, um eine Pflegestufe zu beantragen.

Antrag abgelehnt? Widerspruch einlegen!

Klappt alles wie gewünscht, erhält der Pflegebedürftige nach wenigen Wochen einen Einstufungsbescheid. Dieser kann nun im Interesse des Patienten ausfallen oder eben nicht. Sind Sie nicht einverstanden, weil Ihnen oder Ihrem Angehörigen keine oder eine zu niedrige Pflegestufe zugeteilt wurde, haben Sie das Recht, Widerspruch bei der Pflegekasse einzulegen. Der Hinweis darauf muss im Übrigens im Einstufungsbescheid zu finden sein, ebenso die Frist von 4 Wochen, die Ihnen dafür bleibt.

Wie gehen Sie beim Widerspruch vor?

  • Zunächst sollten Sie eine Kopie des MDK-Gutachtens von Ihrer Pflegekasse anfordern, was Ihr gesetzliches Recht ist. Die Kasse ist zudem auch die Adressatin, an die der Widerspruch zu richten ist.
  • Wenn Sie jedoch Sorge haben, dass Sie auf dieses Gutachten zu lange warten müssen, um noch fristgerecht widersprechen zu können, empfiehlt sich: Sofort schriftlich den Widerspruch einlegen und die ausführliche Begründung für später ankündigen. Das Dokument bitte per Einschreiben mit Rückschein versenden, um einen Nachweis darüber zu haben.
  • Den Widerspruch schreiben dürfen nur der Versicherte selbst, die Pflegeperson aus seinem Haushalt, ein schriftlich Bevollmächtigter des Versicherten und ein gesetzlich bestellter Betreuer des Versicherten.
  • Anhand der Ausführungen im Gutachten können Sie Ihre Argumentation aufbauen, warum Sie nicht mit der erfolgten Einstufung einverstanden sind. Die Gründe für die Ablehnung sind meist
    • a) fehlende Zeiten, um Pflegestufe 1, 2 oder 3 zu erreichen. Kontrollieren Sie deshalb genau die aufgeführten Zeiträume: Stimmen Sie mit den Angaben aus Ihrem Pflegetagebuch überein?
    • b) eine tagesaktuell gute Verfassung des Versicherten, die aber nicht das gewohnte Bild widerspiegelt: Bitten Sie hier um Überprüfung!
    • c) ein nicht erfasster Pflegebedarf: Wurden Angaben vergessen? Wurden besondere Erschwernisse (z.B. vorhandene Demenz) berücksichtigt?
    • d) nicht vorgelegte ärztliche Nachweise: besonders für die Pflegestufe 0 (die erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz bei Demenz) sind Gutachten vom Neurologen hilfreich.
  • Der Widerspruch ist gut, verständlich und sachlich zu begründen und sollte nur dann erfolgen, wenn Sie auch eine Aussicht auf Erfolg haben. Ein kurzer Hinweis zur Häufigkeit der Widersprüche: Obwohl die Anzahl der Menschen, die einen Antrag auf eine Einstufung bei der Pflegekasse stellen, seit dem Jahr 2000 enorm gewachsen ist, gibt es nur einen geringen Prozentsatz, der gegen den Bescheid Widerspruch einlegt. Über 90% der Antragsteller akzeptieren das Ergebnis.
  • Brauchen Sie Unterstützung beim Formulieren des Widerspruchs und vor allem bei dessen stichhaltiger Begründung, ziehen Sie Experten hinzu: den möglicherweise eingesetzten ambulanten Pflegedienst, den betreuenden Arzt oder die Fachkräfte in einer stationären Einrichtung.

    Hier Grafik

    MDK-Gutachten.pngQuelle:www.gbe-bund.de

    Wie geht es nach dem Widerspruch weiter?

    Die Pflegekasse wird entscheiden, ob ein Zweitgutachten erfolgt, um den Status der Pflegebedürftigkeit erneut zu überprüfen. Lehnt Sie aber dieses ab und entscheidet anhand der Aktenlage wieder zu Ihren Ungunsten, bleibt Ihnen der Widerspruchsausschuss der Pflegekasse. Und danach steht der Klageweg offen.

    Innerhalb eines Monats können Sie beim zuständigen Sozialgereicht Klage gegen den Bescheid einreichen. Dieses Verfahren ist für Sie kostenlos. Auch wenn es gesetzlich gestattet ist, sich vor Gericht selbst zu vertreten – ein Sachverständiger hilft Ihnen sicher weiter und ist sehr zu empfehlen. Holen Sie sich diesbezüglich Rat bei Ihrem Pflegeberater.

    Fazit

    Sind Sie nicht einverstanden mit dem Bescheid Ihrer Pflegkasse, weil Ihnen bzw. Ihrem Angehörigen keine oder eine zu niedrige Pflegestufe zugeteilt wurde, können Sie innerhalb von vier Wochen Widerspruch dagegen einlegen. Dieser sollte sachlich gut begründet sein: Dabei hilft Ihnen das Gutachten zu Ihrem Fall sowie Ihr Pflegetagebuch. Holen Sie sich außerdem Expertenwissen vom Pflegeberater oder von ambulanten Pflegedienst.

    Wurde Ihre Pflegestufe ohne Weiteres anerkannt? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Lassen Sie es uns gern in den Kommentaren wissen.

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